Hp1-Logo

 Modellbahn     I/98



Wer hat Angst vor Digital?

Von Reinhard Müller


Im Hp1 IV/97 fragte Marcel Booij "Braucht der FREMO Digital?" und diskutierte das Für und Wider. Ich sage dazu uneingeschränkt ja.

Und dieses "ja" möchte ich hier - ohne auf technische Details einzugehen - erläutern. Dabei will ich auch erklären, was für den Einsatz eines Digitalsystems erforderlich ist. Denn die Angst vor der Digitalisierung und Henk Lindners Frage nach den "Migration Path" beruhen meiner Meinung nach nur auf mangelnder Information.

Die Alternativen

Wir haben bisher zwei Systeme für H0-RE: Die Ringleitung und die H0-P-Elektrik. Beide werden den gewachsenen Anforderungen des FREMOs nur unzureichend gerecht.

Die Ringleitung

Die Ringleitung stößt bei den Treffen in der inzwischen üblichen Größe auch von Regionaltreffen an ihre Grenzen. Zum einen begrenzten die verfügbaren fünf Farben den Fahrplanbetrieb, zum anderen mangelt es an dem verfügbaren Material. Auf der Jahrestagung '96 in Nienburg und '97 auf den Treffen in Ennigerloh und Rehda war das Arrangement bereits zweigeteilt in einen Ringleitungs- und P-Elektrik-Bereich. Da die Ringleitung ja dem Verein gehört, hat zudem eigentlich keiner so richtig Lust, zusätzliche Teile zu bauen. Und auf den Treffen können nicht die Leute auch noch mit der Verdrahtung belästigt werden, die sich schon um Transport und Pflege der Ringleitung kümmern oder das Treffen organisieren.

Die Folgen konnte ich in '97 auf zwei Treffen erleben, bei denen ich aus terminlichen Gründen erst am Tag nach (?!?) dem Aufbau gegen Mittag eintraf. In Porta suchte um man 13:00 Uhr noch verzweifelt nach einem Fehler. Nach dessen Behebung (durch die Befestigungszwinge einer Black-Box waren zwei Drähte zusammengeklemmt) konnte ich in der Mittagspause die gesamte Verdrahtung prüfen, so daß keine weiteren Probleme auftraten. In Bremen war es noch schlimmer. Nicht nur daß Mittags noch wie in einem Puzzlespiel versucht wurde, mit den vorhandenen Verdrehern auszukommen. Der letzte Fehler wurde erst am letzten Tag etwa 4 Stunden vor dem Abbau gefunden, obwohl angeblich alles vorher getestet wurde. Die Ringleitung ist nicht prinzipiell schlecht, sondern erfordert lediglich mehr Disziplin bei Aufbau und Test des Arrangements als im FREMO scheinbar möglich ist.

Die Ringleitung ist in keiner Weise fehlertolerant: Alle Fehler, auch solche in Betriebsstellen, wirken global, d.h. auf dem gesamten Arrangement. Auf größeren Treffen wird das Material knapp und die Anzahl der Farben ist eine harte Grenze, die nur mit unvertretbarem Aufwand ernsthaft zu beseitigen ist.

Die P- bzw. H0e-Elektrik

Diese Elektrik hat sich bei den H0e-Bahnern, die sie schon länger benutzen, in vielen Jahren bewährt, so daß man fast neidisch werden kann. Aber leider erfüllt sie nicht alle Anforderungen für H0-RE.

Durchgehende Züge blockieren in allen durchfahrenen Bahnhöfen den "Fremdregler". Durchgehende Züge sind aber nicht nur die Kohle- und Kalk-GAGs, die im Norden Mönchshof versorgten. Auch auf Treffen in Schalksmühle, die überwiegend von Mitgliedern aus Baden-Württemberg besucht werden, und Brühl, wo zwei P-Elektrik-Verfechter Heimrecht haben, findet man Dienstschotterzüge, Zirkuszüge, Sonderfahrten u.ä. die das Arrangement in voller Länge ohne planmäßigen Halt durchfahren.

Die zweite Einschränkung ist, daß sich im Bereich eines Bahnhofes immer nur maximal zwei Fahrzeuge bewegen können. Und sollen zwei Züge gleichzeitig zu den beiden Nachbarbahnhöfen fahren, muß mindestens einer der Lokführer am Ausgangsbahnhof eingestöpselt sein und sieht daher nicht so genau, wo er eigentlich anhalten muß.

Bei H0-P haben einige versucht, durch kleine Erweiterungen einen Teil der Probleme zu beseitigen. Die Folge ist jedoch, daß die Stellpulte der H0-P-Bahnhöfe nicht das einheitliche Bild der H0e-Stellpulte zeigen, und damit bei einigen Ringleitungsge-(oder ver-)wöhnten zu Irritationen führen. Grundsätzlich ist die P-Elektrik geeigneter für einen Betrieb ohne Zugmannschaften.

Und Digital?

Bei Digitalsystemen gibt es praktisch keine Einschränkungen bezüglich der Zugmannschaften (Farben) und den Fahrzeugen, die sich gleichzeitig in einem Bahnhof bewegen können. Die theoretisch vorhandenen Grenzen liegen mehr als ausreichend hoch.

Die Fahrdienstleiter werden entlastet, weil sie keine Ströme mehr zu schalten brauchen. Keine ruckelnde Loks mehr, weil der nächste Abschnitt auf die falsche Farbe geschaltet und entgegengesetzt gepolt ist. Kein Zug der unvermutet losfährt, weil irgendwo etwas falsch geschaltet wurde. Und weniger Streß für die Zugmanschaften: Keiner ruft mehr "Wer fährt auf Gelb?" und es ist ein Umstöpseln während der Fahrt möglich.

Durch die Aufteilung in überschaubare Booster-Bereiche bleiben Kurzschlüsse lokal begrenzt. Dadurch, daß die Ein- und Ausgabebusse überall aufgetrennt werden können, ist eine schnelle Lokalisierung von Fehlern auf diesen Bussen möglich.

In Bruchköbel-Niederissigheim und in Naumburg hat der Digital-Bazillus bereits viele erfaßt; einige schon in Bremen und Lichtenvoorde. Es ist wie mit dem Fahren nach Fahrplan: Man muß es einfach mal gemacht haben, um es zu verstehen, aber dann läßt es einen nicht mehr los.

Aber es werden auch immer mehr Fragen nach den Kosten und der Ausgrenzung von "noch nicht digitalisierten" Mitgliedern gestellt. Hier einige Antworten.

Die Kosten für die Umrüstung

Wie Stefan Bormann in seinem Artikel näher erläutert, können alle Module weiterverwendet werden, solange sie minimale Anforderungen erfüllen, die eigentlich auch für den Analogbetrieb gelten. Wenn in einer fernen(?) Zukunft überwiegend digital gefahren wird, können bei der Betriebsstellen Kosten für Schalter, Tastensätze, Steckverbinder usw. gespart werden.

Kosten entstehen bei der Umrüstung der Lokomotiven. Ein Decoder kostet zwischen 35 und 150 DM, also etwa ein Viertel einer Serienlok. Bei beiden bestimmen die Ansprüche den Preis. Ich verzichte lieber auf eine weitere Lok, und digitalisiere dafür vier vorhandene. Aber das mag jeder anders sehen.

Trotzdem steigt die Anzahl der digitalisierten Loks unaufhörlich und es braucht keiner Angst zu haben, daß Digital nur mit DR-Dieseln stattfindet. Natürlich ist es schade, wenn eine frisch gesuperte Lok auf einem Digitaltreffen nicht eingesetzt werden kann, weil sie keinen Decoder hat. Aber einen Lokmangel wird es nicht geben und auf Dauer auch keinen Qualitätsverlust.

Ein weiterer Punkt sind die Handregler. Für ein größeres Treffen werden deutlich mehr Regler benötigt, als im Heimbetrieb. Und Preis und Ausführung der Industrieprodukte sind nicht immer überzeugend. Hier tut sich jedoch einiges: Stefan Bormann und Martin Pischky entwickeln einen Handregler, der wie der gewohnte FREMO-Regler aussieht und von jedem Laien bedient werden kann. Wenn ihr dieses Heft lest, hat er vermutlich bereits in Oberwildflecken seine Feuertaufe bestanden und kann auf der Jahrestagung begutachtet werden. Damit sollte auch von den Kosten her eine gute Lösung gefunden sein.

Bei den Boostern laufen - wie bei den Handreglern - mehrere Selbstbauprojekte, die die Kosten in Grenzen halten. Unter Umständen wird auch eine kleine Serie aufgelegt, so daß auch beim Selbstbau nicht unnötig Zeit in eine von vielen ungeliebte Bastelarbeit gesteckt werden muß.

Auch bei den Ein- und Ausgabebussen hat sich einiges getan. Wolfgang Deutschmann hat für Selectrix ca. 100 m (oder schon mehr?) erstellt, für Digitrax werden wir spätesten bis zur Jahrestagung 50 Stöpselboxen und mehrere 100 m Busleitung zur Verfügung haben.

Die Zentrale stellt in sofern kein Problem dar, als daß jeder Digital-Fan eine zu Hause hat und bei einem Treffen nur eine benötigt wird. Und wer einen (alten) PC zu Hause hat, kann den als Zentrale nutzen, um seine ersten digitalisierten Loks auch privat Testen und Betreiben zu können.

Bisher haben die Befürworter eines Systems alles auf eigene Rechnung beschafft, um es auszuprobieren bevor eine Normempfehlung abgegeben wird. Marcel fragte, ob die Zentraleinheit vom Verein finanziert werden soll. Ich meine nein. Wir haben bereits mehr Zentralen als genug im Privatbesitz und es werden mehr. Maximal eine Art Versicherung für Beschädigungen auf dem Treffen halte ich für sinnvoll. Bisher hat sich der Grundsatz, daß (fast) alles den Mitgliedern gehört, bewährt und ist wesentlicher Bestandteil des FREMOs. Damit bezahlt dann Keiner auch nur teilweise oder indirekt ein Digitalsystem, das er nicht will.

Quintessenz

Jeder kann mit seinen Modulen inklusive Bahnhöfen an einem digitalen Treffen teilnehmen. Wer noch keine digitalisierten Loks hat, fährt eben mit denen von Anderen. Das ist ja auch ganz normal beim FREMO. Es wird also keiner ausgeschlossen. Auch für Digitalsysteme gibt es Handregler, die ohne ein Studium der Elektrotechnik oder Informatik bedient werden können. Und es wird auch weiterhin (überwiegend!?) analoge Treffen mit Ringleitung und / oder P-Elektrik geben, auf denen sich die Analogloks präsentieren können. Die digitalisierten Loks können auch analog gefahren werden, so daß eine Umrüstung keine Einbahnstraße ist.

Also: Keine Angst vor Digital!



Valid HTML 4.0!